Geschichte: Ein Halleluja für die Klosterfrauen
Zu Besuch im Kloster Wienhausen
Das Kloster Wienhausen, einst Hauskloster der Welfen, ist
weltberühmt. Seine Schönheit und Kunstschätze ziehen Tausende Besucher an. Für
die Klosterfrauen, die hier leben, lautet der Auftrag: Das Erbe bewahren, die
christliche Botschaft vermitteln und die Schätze des Klosters der
Öffentlichkeit zugänglich machen. Sie haben viel zu tun. Und tun es mit Freude. Beate Ruhe, Helene Behrens, Brigitte Brockmann und Borghild
Lindner haben etwas gemeinsam. Sie sind alleinstehend und gläubig. Sie beziehen
eine Rente und haben neue Herausforderungen gesucht. Diese Voraussetzungen
haben ihnen ein Leben zwischen uralten Mauern ermöglicht. Sie sind vier von
insgesamt zehn Konventualinnen im Kloster Wienhausen. Was hat sie hierher
getrieben?
Ein Leben in Stille und Zurückgezogenheit, in einem wunderbaren Ambiente
Beate Ruhe steht im Klostergarten und guckt etwas missmutig
in die regenschweren Wolken. Sie ist jetzt 80. Vor zehn Jahren hatte sie sich
vom Kloster für ein paar Urlaubstage abgemeldet. Sie flog nach Afrika, ist dort
eine Woche auf einem Kamel durch die Ost-Sahara geritten und Gott dabei noch
ein Stück näher gerückt. „Dieser Sternenhimmel da und der Schaukelgang der
Kamele ... Das war unglaublich, das war Meditation pur.“ Sie bückt sich, hebt
einen Ast auf, der zwischen den Rosensträuchern liegt, kappt ein paar Zweige am
Buchsbaum.
Bis zu ihrem 63. Lebensjahr war Beate Ruhe in einem
Anwaltsbüro in Bremen tätig. Damals schon zog sie sich in ihren Urlauben oft
zum Meditieren oder Fasten in Klöster zurück. „Ich hatte immer das Gefühl, dass
das etwas für mich sein könnte. Andererseits dachte ich: Kloster – das ist
streng und katholisch.“ Dann erfuhr sie von den Heideklöstern, in denen es
evangelische Konvente gab und bewarb sich sofort um einen Platz in Wienhausen.
„Ich kam, sah und wusste: Das ist es!“ Sie kündigte ihren Job, sagte ihren vier
erwachsenen Kindern ade, packte ihre Sachen und ihre beiden Katzen in den Korb
und reiste an.
Nach einem Jahr Wissenserweiterung in Geschichte,
Kunstgeschichte und Religion, wurde Beate Ruhe in den Konvent aufgenommen. Wie
ihre Mitschwestern macht sie Führungen durch das Kloster und ist darüber hinaus
für die Pflege des Klostergartens zuständig. „Ich habe Stille,
Zurückgezogenheit und Aufgaben gesucht und in diesem wunderbaren Ambiente
gefunden.“ Beate Ruhe guckt hinüber zur Klostermauer. Dort sind ihre beiden
Katzen begraben. „Wer an seinen Tieren hängt, darf sie mitbringen, neue
anschaffen dürfen wir nicht, was ja auch verständlich ist.“
Die "Kloster-Managerin"
Renate von Randow fragt sich, ob es womöglich ein Wink des
Himmels war, dass sie in der Nähe von Neuwied in einem Franziskanerkloster zur
Welt kam – auch wenn da während des Krieges eine evangelische diakonische
Einrichtung gewesen sei. Sie lacht. „Meinen Glauben aber hat mir mein Vater in
die Wiege gelegt, er war Wirtschaftsleiter einer Einrichtung der Inneren Mission.“
Bevor Renate von Randow 1997 nach Wienhausen kam, war sie
Managerin eines Münchner Hotels. Sie ist geschieden und hat zwei Töchter. „Als
eine meiner Töchter zu sticken begann, dachte ich, ich hätte sie falsch
erzogen.“ Heute ist Renate von Randow die 47. Äbtissin des Klosters Wienhausen
und sie stickt, weil es sie „total entspannt“.
Entspannung braucht sie. Sie steht dem Konvent mit den zehn
Konventualinnen vor, ist Chefin von 7 Angestellten und 30 ehrenamtlichen
Mitarbeiterinnen, verwaltet 280 Hektar Land- und Forstwirtschaft, den
Klosterpark, das Klosterarchiv, die Kunstschätze und organisiert jährlich etwa
70 Veranstaltungen für das Kloster. All das ist enorm viel Arbeit. Und deshalb
ist es für sie wichtig, dass der Konvent funktioniert. „Wir sind eine
fröhliche, lebendige, christliche Gemeinschaft, in der Frauen die Möglichkeit
haben, noch einmal richtig durchzustarten. Und das tun sie und sie machen das –
jede in ihrem Arbeitsbereich – toll!“
Mit 30 000 Besuchern herrscht im Sommer Hochbetrieb im Kloster.
Von November bis April ist es für Besucher geschlossen – Zeit für die
Konventualinnen die Pläne für Seminare, Symposien, Konzerte, Ausstellungen,
Stickkurse und Lesungen zu machen. Zeit zu verreisen oder sich ins Auto zu
setzen, um mal nach Hamburg zu fahren – wer über Nacht wegbleibt, muss sich
abmelden. Zeit für Helene Behrens abends Krimis zu lesen.
Das damalige Leben im Kloster Wienhausen - kein Vergleich zu heute
Wer mit ihr über die ausgetretenen Eichenbohlen im
Dormitorium geht, ahnt, wie hart das Klosterleben gewesen sein muss. Lang ist
der Schlafsaal, düster und breit. An den Wänden stehen schwere mittelalterliche
Holztruhen, in denen die Klosterfrauen ihr Hab und Gut aufbewahrten. Geschlafen
wurde auf Strohsäcken in der Klostertracht. „Vor der Reformation, als das
Kloster noch katholisch war, wurde hier Tag und Nacht siebenmal zum Gebet
gerufen. Zeit sich umzuziehen hatten die Nonnen nicht“, sagt Helene Behrens und
fröstelt bei dem Gedanken. „Nein, mich hätten damals keine zehn Pferde
hierhergekriegt.“
Helene Behrens, 69, einst leidenschaftliche Turnierreiterin,
ist Ostfriesin. Sie zog drei Kinder auf und wurde nach 29 Jahren Ehe
geschieden. „Tja, was hat mich hierher getrieben ... Erstens mein Glaube,
geprägt hat mich meine Ausbildung auf der Landfrauenschule im Kloster
Wöltingerode. Zweitens, dass ich hier Aufgaben habe, die ich sehr ernst nehme,
und dass ich Verantwortung trage. Drittens, dass ich im Alter nicht auf meine
Kinder angewiesen bin, aber, dass ich hier nicht auf sie verzichten muss. Wenn
es meine Zeit zulässt, können sie und meine Enkelkinder mich besuchen. Platz
ist genug. Wir haben alle eine Drei-Zimmer-Wohnung.“
Die Wohnungen sind mietfrei. Von ihren Renten zahlen die
Klosterfrauen Gas, Strom und ihre Lebensmittel. Arbeitslohn bekommen sie nicht.
Helene Behrens ist die Hausdame des Klosters. Sie ist für den Klosterpark und
teilweise für das Eventmanagement zuständig. Als sie ihren Freunden erzählte,
dass sie ins Kloster gehen würde, fielen die aus allen Wolken: du ins Kloster –
das geht doch gar nicht! Als sie aber nach einem Jahr zur „Einführung“ – die
Aufnahme in den Konvent – ihrer Freundin geladen wurden und das Klosterleben
kennenlernten, fingen sie an zu verstehen. Für Helene Behrens war die
Einführung, verbunden mit einem Gottesdienst und ihrer Einsegnung, einer der
ergreifendsten Momente in ihrem Leben. Es war der Tag, an dem sie zum ersten
Mal die Klostertracht trug – schwarzer Rock, weißes Jabot, schwarzer Chormantel
und die schwarze Haube.Ein Leben unter der "Haube" im Kloster Wienhausen
„Wenn man so will, bin ich zum ersten Mal in meinem Leben
unter die Haube gekommen“, sagt Brigitte Brockmann und lacht vergnügt. „Im
Mittelalter trugen ja nur verheiratete Frauen eine Haube, das hieß, sie waren
versorgt. Ich bin ledig geblieben und war immer Selbstversorgerin.“
Buchhändlerin in Überlingen am Bodensee war sie und in ihren letzten neun
Berufsjahren in einem katholischen Internat tätig, wo sie die Bibliothek
aufbaute. „Ich konnte mir dort das ganze Wissen aneignen, das ich für die
Führungen brauche. Wer das nicht hat, der fängt hier bei Adam und Eva an.“
Sinn und Heimat im Kloster Wienhausen gefunden
Brigitte Brockmann ist 75. Seit ihr vor zwölf Jahren die
Schwester der Altäbtissin von Kloster Wienhausen den Weg vom Bodensee hierher
gewiesen hat, kann sie sich, wie am ersten Tag für die Kunstschätze des
Klosters begeistern. Sie ist Priorin geworden und vertritt die Äbtissin, wenn
die nicht anwesend ist. Sie ist für die Bibliothek zuständig, hält Vorträge und
schult Frauen, die zusätzlich für Führungen gebraucht werden. „Bei unserem
Besucheransturm ist Hilfe von außen nötig.“
Sinn und Heimat hat Brigitte Brockmann im Kloster gefunden.
„Und das solange es geht. Wenn ich einmal richtig alt bin und unfähig, mich
selbst zu versorgen, komme ich ins Pflegekloster nach Marienwerder und das hat
etwas sehr Beruhigendes.“ Glaubensstark ist Brigitte Brockmann im Osten
geworden. „Ich bin gebürtige Potsdamerin und der Glaube war für mich die
einzige Alternative zum Kommunismus. Und der Glaube unter uns Klosterfrauen ist
unsere gemeinsame Basis. Wie sind ja alle geformte Menschen und völlig
unterschiedlich. Wenn wir diese Basis nicht hätten, wäre es schwierig.“ Am
stärksten empfinden die Klosterfrauen das Gemeinschaftsgefühl, wenn sie zum
Gottesdienst und den Abendandachten die Klostertracht tragen. Brigitte
Brockmann schafft es dann, eine nächste Ebene zu erreichen – „was mir
allerdings nicht immer gelingt“.
Flower Power. Studentenbewegung. Pädagogik-Studium in
Hamburg. Hochseesegeln. Uni-Assistenz. Weite Reisen. Ehe. Vier Kinder. Umzug
von Hamburg nach Celle. Scheidung. Das ist das Leben von Borghild Lindner, 66,
im Zeitraffer. Es ging weiter: „Von Celle aus bin ich oft hier gewesen. Ich
habe stundenlang in dem prachtvoll ausgemalten Nonnenchor gestanden und
gedacht, wenn ich mal allein bin, möchte ich hier leben. Borghild Lindner ist
Küsterin und macht die Öffentlichkeitsarbeit für das Kloster. Sie singt in der
Kantorei in Celle, besitzt CDs von Bach bis Jazz und bekommt demnächst von
ihrem Sohn einen Computer, auf dem sie mit ihren Kindern in aller Welt skypen
kann. „Ich bin hier, weil mir noch klarer geworden ist, was die Welt im
Innersten zusammenhält. Und weil ich hier auf hochinteressanten Leute stoße –
Wissenschaftler, Kunstexperten, Musiker, Doktoranden, die hier auch im Winter
arbeiten.“
Doch es gibt noch einen weiteren Grund, warum sie sich im
Kloster aufgehoben fühlt: „Wir sind hier nicht eingeschlossen. Wir haben die
Freiheit hier nicht sein zu müssen. Und wenn ich meinen Glauben verlieren
würde, würde ich gehen.“
Normal
0
21
false
false
false
DE
X-NONE
X-NONE
MicrosoftInternetExplorer4
/* Style Definitions */
table.MsoNormalTable
{mso-style-name:"Normale Tabelle";
mso-tstyle-rowband-size:0;
mso-tstyle-colband-size:0;
mso-style-noshow:yes;
mso-style-priority:99;
mso-style-qformat:yes;
mso-style-parent:"";
mso-padding-alt:0cm 5.4pt 0cm 5.4pt;
mso-para-margin-top:0cm;
mso-para-margin-right:0cm;
mso-para-margin-bottom:10.0pt;
mso-para-margin-left:0cm;
line-height:115%;
mso-pagination:widow-orphan;
font-size:11.0pt;
font-family:"Calibri","sans-serif";
mso-ascii-font-family:Calibri;
mso-ascii-theme-font:minor-latin;
mso-fareast-font-family:"Times New Roman";
mso-fareast-theme-font:minor-fareast;
mso-hansi-font-family:Calibri;
mso-hansi-theme-font:minor-latin;}